„Eine Katze spielt mit einer Handgranate, ein Raumschiff landet im Wald, die Mona Lisa ist mit Headset im Einsatz. In ihren Arbeiten recycelt Agnes Nuber Gobelin-Bilder, indem sie durch geschickte Handarbeit bekannten Motiven, die bisher dunkelbraun getäfelte Wohnzimmer schmückten, im Stile des Cultural Jamming neue Elemente hinzufügt, die ihren neuen Kontext kommentieren, hinterfragen und brechen.
Ihre Vorlagen stammen meist aus den 1960er und 1970er Jahren. Sie wurden einst in liebevoller Mühe gestickt und nun bei Haushaltsauflösungen oder über eBay verkauft. Abhängig von Motiv und Rahmung werden zwar einzelne Werke im vierstelligen Bereich gehandelt, dennoch wurde der Großteil im Sinne des Malen-nach-Zahlen privat gefertigt und dann professionell in Eiche gerahmt. „Jedes Bild hat seine eigene Geschichte, immer wieder gibt es Überraschungen, oft sind Notizen, Namen oder auch Preise auf der Verkleidung zu finden. Das schafft eine gewisse Ehrfurcht vor den Stickerinnen, die so viele Stunden damit verbracht haben, ebenso vor den Menschen, welche die Bilder gerahmt haben und dem Raum und Ort, an dem das Bild jahrelang hing, bis niemand mehr das Werk oder Motiv schätzte“ berichtet Nuber über die fast ausgestorbene Handwerkskunst.
Beim Gobelin, einem Imitat der Bildwirkerei, benannt nach einer französischen Manufaktur, werden die Fadenkreuze des Trägermaterials diagonal mit feinem Garn überstickt, meist im sogenannten Halben Kreuzstich. Die Überstickungen werden in Nubers Arbeitsprozess sorgfältig aufgetrennt, um den neu eingefügten Elementen Raum zu schaffen. Überschüssige Fäden werden vernäht und die neuen Motive mit spezieller Wolle eingearbeitet, um das Bild im Anschluss wieder im Originalrahmen aufzuspannen.
Jedes Werk verweist auf die biedere Harmonie seines Ursprungs, einer Zeit als Alpenlandschaften, altbackene Stillleben und christliche Ikonen deutsche Wände schmückten. Diese Motive eignet sich Nuber an, indem sie pop-kulturelle Symbole im wahrsten Sinne des Wortes mit dem Ausgangsbild verwebt. So finden sich Hochhausblöcke im dichten Wald, die Madonna lauscht mit dicken Kopfhörern einer unbekannten Musik und ein Astronaut schreitet über grüne Wiesen, als befinde er sich auf einem fremden Planeten. Diese Zusammenführung und Gegenüberstellung der verschiedenen Elemente im Sinne des Mash-Ups erlaubt Einblicke in die traute deutsche Spießigkeit, offenbart die Sehnsüchte unserer Zeit und schafft dabei immer wieder neue Bedeutungsebenen, die gelegentlich irritieren mögen, aber immer Spaß bringen.“
Text für Ausstellung 4/2013: Lili Hartwig/Tim Gallwitz